CONVERSATIONS THAT MATTER
Das Ende von Gut und Schlecht mit Lais Cossermelli
Heidi schreibt
Das Patriarchat scheint Frauen ähnlich zu beeinflussen, unabhängig davon, in welchem Land oder Kultur sie aufwachsen: Wir müssen gut sein in allem, was wir tun, als Mutter, Ehefrau, Hausfrau und, wenn wir hinausgehen in die Welt, in unserem Beruf. Es war immer “normal”, dass Männer, die beruflich erfolgreich und damit “gut” waren, anerkannt und geliebt und entsprechend als Partner ausgesucht wurden. Da liegt es nahe, dass auch wir Frauen glauben, nur für das geliebt zu werden, was wir zu tun imstande sind, und wir strengten uns an, es im Berufsleben den Männern nachzueifern, selber möglichst besser zu werden als die Männer, um in dem ungewohnten Konkurrenzkampf eine Chance zu haben.
Im Privaten glaubten wir, dass dieselben Regeln gelten: harte Arbeit und gute Leistung verschafft uns die Liebe unserer Eltern und später unserer Partner und Kinder – eine Rechnung, die aber eben leider nicht aufgeht, vor allem, wenn wir uns selber rigoros nach diesen Kriterien beurteilen – und verurteilen.
Ich wurde mir dieses destruktiven Musters erst richtig bewusst, als ich in Partnerschaft mit Mark lebte und er sich freute, wenn mir einmal Fehler unterliefen. Ich hing fest im Glauben, perfekt sein zu müssen, und solche faut pas machten mich ärgerlich und schamvoll. Wie konnte sich mein Partner freuen darüber? Ich konnte das erst nicht verstehen, bis mir klar werden konnte, dass ein Perfektionist wahrgenommen wird wie eine unbeeselte Maschine und Fehler uns wieder zurück zur Erde, zurück in unser Menschsein bringen, wo absolute Perfektion keinen Platz hat und das Streben danach nur zur Verhärtung und Leblosigkeit führt.
Mein brasilianischer Gast Lais Cossermelli spricht von ihrer dunklen Nacht der Seele, als es ihr dämmerte, dass sie sich selber mit Freundlichkeit und Liebe begegnen solle anstatt mit Härte und Erwartung von Perfektsein. Wer bin ich? Die Frage, die zu einer spirituellen Wende führte und sich dann niederschlug in ihre Öffnung auf allen Ebenen. Die mentalen Perspektiven öffneten sich durch die Lektüre von vielen wichtigen Büchern, auch Ken Wilber war darunter. Aber es konnte jetzt nicht mehr im Mentalen stecken bleiben, Körper und Herz mussten nun eingebunden werden.
Gut und schlecht verloren ihre Bedeutung auf Lais’ Lebensweg. Die Veränderung ihrer Sichtweise schlug sich auch auf ihren Beruf nieder. Anstatt Menschen nach gut und schlecht zu beurteilen, wenn es um die Vergabe von Jobs geht, versucht sie nun, nicht nur die Vorbildung und Leistungsfähigkeit des Menschen zu berücksichtigen, der sich bewirbt, sondern ihn als ganzen Menschen zu sehen, mit den Potentialen, die in ihm stecken. Eine Gratwanderung in Unternehmen, die noch traditionell strukturiert sind!
Im ONLINE SALON des”Integrales Forum” für den 7. Oktober 2020
ÜBER LAIS COSSERMELLI
Lais Cossermelli lebt in Brasilien, war 19 Jahre in einem multinationalen Unternehmen in den Bereichen Recht, Projektmanagement, MKT und in den letzten 8 Jahren in der Personalabteilung tätig. Sie hat Arbeitserfahrungen in Deutschland und der Schweiz, ist verantwortlich für Change Management und kulturellen Wandel. Derzeit ist sie im zweiten Jahr eines Master-Abschlusses in Bewusstsein, Spiritualität und transpersonaler Psychologie bei Alef Trust in Großbritannien. Leidenschaft für die Erweiterung unseres menschlichen Potenzials aus systemischer Sicht unter Einbeziehung unserer ökologischen Perspektive.
Kontakt: https://www.facebook.com/laismelli11
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