Ich bin jetzt Witwe

Eine Vierergespräch. Mit Ulrike Haiden. Victoria Martino, Inga Hense und Heidi Hörnlein

HEIDI´S INTRO

Die Statistiken sagen, dass Männer im Durchschnitt jünger sterben als Frauen. Nimmt man hinzu, dass Frauen oft ältere männliche Partner haben, ist es nur logisch, dass es mehr Witwen gibt als Witwer. Die Statistik wird aber erst dann schmerzlich lebendig, wenn es uns selbst erwischt: Mein Mann ist tot – und jetzt? 

Traditionell gibt es das Trauerjahr. Frauen in pechschwarzer Kleidung waren früher nicht ungewöhnlich im Straßenbild. Heute ist “alles ganz anders”: Wir Witwen tragen nicht unbedingt schwarz, vielleicht  in der Hoffnung, nicht noch mehr hinabgezogen zu werden in die tiefen Gründe. Und keine Spur von Trauerjahr. Ein oder zwei Tage Anrecht auf Sonderurlaub, aber spätestens nach einer Woche solltest Du topfit wieder auf der Matte stehen, so als wäre nichts gewesen. Dabei dauert es nach wie vor mindestens ein Jahr, bis die Hinterbliebene ihr Leben wieder einigermaßen ausrichten kann auf Zukunft und Freude.

Wir haben uns getroffen, um uns über unsere Witwenschaft auszutauschen. Mit wem sonst könntest Du darüber reden, wie es tief drin in dir schreit, die Wunde des Verlustes blutet und schmerzt? Niemand sonst will das hören, die Trauernde wird nicht auf ihren Schmerz angesprochen, sie muss den Smalltalk akzeptieren, oder sie wird gemieden, denn keiner mag an Tod und Sterben erinnert werden. Gerade im Moment, wo frau die liebevolle Begleitung durch andere Menschen am nötigsten hat, wird sie weitgehend ignoriert und allein gelassen.

Die Trauerkultur sagt etwas aus über die Qualität der Menschlichkeit in einer Gesellschaft. In unserer westlichen Welt ist es schlecht damit bestellt. Wir meiden jede Erinnerung an unsere Sterblichkeit, wir fliehen dem Tod um jeden Preis. Die industrialisierte Medizin treibt es auf die Spitze, ebenso wie die derzeitige Corona Panik, die fleißig geschürt wird unter Benutzung von rationalisierenden Teilwahrheiten. Tote durch Corona sollen um jeden Preis vermieden werden, aber die Traumatisierung von Kindern oder die Zunahme von häuslicher Gewalt wird in Kauf genommen, das tötet ja nicht sofort. Die steigenden Zahlen von Selbstmord? Das ist Dein eigenes Problem, wenn Du das verordnete restriktive Leben nicht aushältst! Wir schützen die anderen vor dem Tod! Du hättest ja rechtzeitig dein Geschäft abstoßen können, anstatt zu warten, bis du durch Coronamaßnahmen pleite und du mittellos wirst. Selber schuld.

So treibt die allgegenwärtige Angst vor dem Tod zu kaum durchdachten Anordnungen und Verhaltensweisen, die zu einer sich selbst bestätigten Prophezeiung werden. Je mehr du von etwas davon läufst, desto schneller und hartnäckiger rennt es hinter dir her – jedenfalls dann, wenn Du kein dickes Bankkonto hast.

Und die Witwen? Wenn sie Glück haben, bekommen sie eine Pension über den Mann, die dann durch überhöhte Steuern fast wieder aufgegessen wird (jedenfalls hier in Italien, wo ich lebe). Oder sie muss zurück in einen Job um zu überleben, weil die Basis der gemeinsamen Arbeit verloren ist. Oder, oder???

Die Gesellschaft macht es uns nicht leicht, aber wir können uns gegenseitig unterstützen und ermutigen, das Leben selbst zu schätzen und einen positiven Geist zu entwickeln, der es uns erlaubt, uns wie Münchhausen “an den eigenen Haaren” aus dem Schlamm zu ziehen, der uns von außen als Lebensraum angeboten wird. Nicht unterkriegen lassen, aber trotzdem deutlich sagen, was nicht passt und auf Veränderung hinarbeiten: unsere “Arbeitshypothese”.

Zum Thema Trauerkultur siehe auch den Beitrag von Beatrice Antonie Marino (in Englisch)

Die Teilnehmerinnen

Victoria Martino

Victoria Martino verlor ihren beliebten Mann, Konrad Oberhuber, im September 2007. Ursprünglich eine Studentin von ihm in den siebziger Jahren an der Universität Harvard, sie begegnete ihn wieder 12 Jahre später. Beide erkannten sofort, das sie eine ewige Wahlverwandtschaft hatten. Sie waren 16 Jahre, Tag und Nacht, ununterbrochen zusammen, bis der Tod sie von einander riß. In diesen 16 Jahren erlebten sie miteinander ein wunderschönes Leben, voller Liebe, Musik, Kunst, und Weltreisen. Im Jahr 1992 wurde ihre Tochter, Beatrice Antonie, geboren, und sie war ihr Sonnenlicht vom ersten Augenblick an.

Ulrike Haiden

Ulrike Haiden, Lebensberatung & integrales Coaching für erfüllende
Lebenswege und Karrieren – lokal und online – Deine Expertin für
berufliche Veränderung, Positionierung und Jobfinding
Mehr erfahren: www.integralepraxis.at
Ulrike Haiden im Interview “Wie ich meine Job-Freiheit gefunden habe”:
https://vimeo.com/381777054

Interviews auf der Wisdom Factory: Hier und Hier

Heidi Hörnlein

Heidi gründete die WISDOM FACTORY zusammen mit ihrem Mann Mark Davenport, der im Juni 2018 verstarb. Seither veröffentlichst sie hier auf der Webseite und auf Youtube wöchentlich Gespräche mit interessanten Menschen, auf Englisch und auf Deutsch

Inga Hense

Inga Hense ist Naturwissenschaftlerin.Ihr langjähriger
Lebensgefährte ist im Sommer 2020 gestorben und seitdem beschäftigt sie sich
mit dem Thema: Sterben, Tod & Spiritualität.

0:00 Heidi’s intro 

1:50 Checkin Inga Hense

2:12 Victoria Martino

2:55 Ulrike Haiden – die Tränen sind noch nahe

3:18 Heidi – Trauer, Kleidung und mehr.  Das Jahr der Trauer ist wichtig und wie die Umwelt auf deine Trauer reagiert.

5:50 VIctorias Erfahrung mit der Trauer. Ihre Geschichte: der Tod von Kunst. Musik in den  Todesfeiern. Das Paradox des Trauerzustandes. Der Schmerz ist auch nach langer Zeit spürbar. Den gesitliche Nachlass ehren.

12:15 Inga. Meditation hilft. Die Perspektiven ändern sich. Grundsätzliche Fragen tauchen auf. Viele Sachen gehen nicht, so kurz nach dem Tod des Partners.

15:20 Ulrike nach 6 Monaten. Die Seele findet ihre Spur, die DInge ergaben sich. Die Verbundenheit und Liebe. Der gemeinsame Lebenszweck ist geblieben. Das Umgestalten des Lebens. Tägliche Trauerzeiten. Braucht das Bewusstsein einen Körper?

21:00 Heidis Erfahrung der Gemeinsamkeit. Die Wisdom Factory als gemeinsames Projekt. Die Serie über Sterben und das e-Buch über Mark hat sie beschäftigt gehalten. Dann Depression im WInter. Die Erfahrung, aus der Schwere hinaus zu kommen. War alles nur ein Traum?

27:30 Inga vieles Lesen und die Überzeugung, dass es ein externes Bewusstsein gibt.

28:25 Ulrike freut sich über diese Mitteilung. Die Gespräche mit den Ärzten auf der Intensivstation zeigte ihr, dass die Patienten die ihnen geschickte Energie tatsächlich ankommt. Die Gnade des Kommunizieren Könnens und sich gegenseitig stützen.

30:30 Der Kranich als der Totenvogel, der Bote. “Illusion Tod”

32:45 “The last frontier”  GIulia Assante(?), “Das tibetische Totenbuch” von Wulf-Mirko Weinreich

35:05 Victoria. Sie spürt, dass die Präsenz ihres Mannes in ihrer Tochter und in seinen Büchern ist. Sie träumt regelmäíg von ihrer verstorbenen Mutter.

37:30 Heidi: Mark hört heute zu. EInbildung oder nicht ist nicht wichtig

39:30 Inga: Robert Speier: wie man sich die geistige Welt vorstellen kann. Der theoretische Rahmen hilft. Gibt es so viele Zufälle?

41:20  Victoria: Synchronizitäten = Witze der Engel: Wer Ohren hat zu hören….. Es gibt täglich viele Wunder. Die Vögel sind wichtig als Zeichen der Präsenz. Ihr Mann war Antroposoh, jetzt ist es auch aktuell für sie selber.. Die Totesfeier der anthroposophischen Gesellschaft.

45:45 Heidi: die Erfahrung von Tranzendenz/Religiosität durch das Todeserlebnis. Die Archetypen der Seele helfen, dem Tod näher zu kommen durch das Wissen von vielen Leben.

47:35 Ulrike: die Spiritualität gestärkt. Die Totenfeier für ihren Mann. Das Wesentliche ist die Liebe – Ergebnis des gemeinsamen Erkenntnisweges. Ein natürliches Selbstverständnis im Abschied. Der Mut ist gestärkt.

51:45 Inga: Das Reden über Spiritualität außerhalb der Partnerschaft war schwierig, nur wenige Menschen. Besonders wenn man im naturwissenschaftlichen Umfeld sich bewegt.

54:05 GIbt es mehr interessiert Menschen, die es aber nicht wagen darüber zu sprechen? 

55:55 Check out Victoria

57:30 Ulrike  Verletzlichkeit ist Zwillingsschwester der Freude. Warum wird das Witwendasein so totgeschwiegen? Was bedeutet das Witwensein auf allen ebenen?

59:20 Inga Die Erfahrung der Verbundenheit

1:00:00 Victoria: Ministry, eine heilige Arbeit

1:00:50 Heidi über das integrale Frauenfeld und die Intention dieses Gespräch.

1:02:15 Zukunftsplanung für das Witwengespräch und Einladung